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Die Wahrheit über die Obstruktion und ihre Auswirkung bei Teleskope |
Geschrieben von: astroMario - 24.11.2015, 00:58 - Forum: Instrumente
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KLASSISCHE OPTIKMYTHEN Häufig liest man in Newsgroups Statements wie: 1."Wenn ich meinen 16" Billig-Dob mit einer Scheinerblende auf 6" abblende, habe ich effektiv einen perfekten 6" Fluorit Apo Refraktor für Planeten" 2."Ein 8 Zoll Schmidt-Cassegrain zeigt bei DeepSky immer mehr als ein 6" Refraktor wegen der grösseren Lichtsammelleistung" 3."Bei mitteleuropäischen SeeingVerhältnissen ist bei 5" Öffnung eh Schluss. Grössere Geräte mit 10" oder gar 16" Öffnung sind nur stärker Seeinganfällig und daher seltener nutzbar" Ich habe in meinen Anfangsjahren auch an diese Märchen geglaubt und diese oft und gerne ungeprüft kolportiert. Sie klingen ja auf den ersten Blick auch unheimlich einleuchtend. Mit der wachsenden Beobachtungserfahrung in den letzten 15 Jahren, vielen neuen Geräten die ich derweil ausprobieren konnte, dem Studium diverser Literatur und vielen Tipps von anderen Amateuren merkte ich, dass obige Aussagen nur bedingt gelten, bzw. einfach falsch sind. Im folgenden möchte ich daher die genannten Mythen Punkt für Punkt auseinandernehmen. Ich bin mir dabei natürlich klar, dass einige Amateure meinen Ausführungen nicht zustimmen werden da vieles auch von den persönlichen Beobachtungsvorlieben und Erfahrungen abhängt. Ich möchte aber wirklich keinem sein Instrument vermisen. Ich habe selber mit einem 60mm f/15 Refraktor angefangen den ich noch heute mit Begeisterung für Sonnenprojektion einsetze. Ausserdem habe ich lange Jahre schöne DeepSkyBeobachtungen mit einem 8" SchmidtCassegrain gemacht (Meade 2080). Andererseits ich habe einige sehr attraktive Argumente, die auf physikalischen Grundlagen basieren und vielleicht können diese einem Einsteiger bei der Wahl des geeigneten Beobachtungsgeräts helfen und damit Enttäuschungen vermeiden. Da ich selber einmal Physik mit Wahlfach Optik Von Christian Losch studiert habe (öh, jetzt hängt er seinen Dipl. raus) überzeugt mich eine solide theoretische Grundlage mehr zumal ich auch im Labor beobachten konnte, wie verschiedene Personen zu sehr unterschiedlichen visuellen Beobachtungsergebnissen kamen("Kannst Du den Laser-Peak sehen? Nee da ist nichts! Doch schau mal genauer hin, eindeutig mit Nebenminimum. Hm, dann bin ich wohl etwas grünblind!?"), die von der unbestechlichen Messaparatur dann aber oft als Fata Morgana entlarvt wurden. Oft ist bei visuellen Beobachtungen halt der Wunsch der Vater des Gedanken. Lange Jahre war es nun so, dass der Einfluss der verschiedenen optischen Parameter auf die Abbildungsqualität für den Amateur schwer zu erfassen war. Einfache Messmethoden existieren nicht, einzig das Buch von H. Suiter "Star Testing Optics" bot einen Ausweg, indem das intra-und extrafokale Beugungsbild eines Sterns betrachtet wird. Anhand der unterschiedlichen Ausprägung, Dicke und Anzahl der Beugungsringe kann man auf die Güte und Leistungsfähigkeit der Optik schliessen. Leider setzt dieser Test jedoch eine genau Kenntniss der physikalischen Parameter sowie langjährige Erfahrung und Geschick voraus, daher ist dieser Test nicht frei von persönlichen Einflüssen der Beobachters. Seit kurzem existiert jedoch eine elegante Alternative. Auf Abberator.Astronomy.Net kann man das kostenlose! Programm Abberator herunterladen. Das Programm zäumt den Gaul von der anderen Seite her auf. Anstatt aus einem Beugungsbild die Bildfehler herauszurechnen, kann der Benutzer stattdessen diverse Optikfehler wie Rauhigkeit des Spiegels, Koma usw. vorgeben und das Programm berechnet (teilweise in Echtzeit) den Einfluss auf die Abbildung eines Sterns, Doppelsterns oder Planetenbildchens. Sogar die Simulation von Luftunruhe ist möglich. Im Endergebnis spuckt das Programm ein Bild aus, welches man mit dem unverzerrten Originalbild vergleichen kann. Selbst Laien ist daher der Einfluss eines bestimmten Optikfehlers sofort ersichtlich, bzw. jeder kann selber beurteilen,
wieweit ein bestimmter Optikfehler für den persönlichen Beobachtungserfolg ausschlaggebend ist. Das Programm eigent sich also hervorragend für die objektive Diskussion der diversen Parameter und deren Einfluss auf die Bildqualität. (Alle folgenden Bilder wurden mit diesem Programm für ein Gerät mit 8 Zoll Öffnung (sofern nicht anders angegeben) berechnet) Zu 1.) Es stimmt zwar, dass ein abgeblendeter Newton obstuktionsfrei ist und somit keine Beugungsbilder der Fangspiegelstreben stören aber man darf nicht vergessen, dass die Abblendung ausseraxial erfolgt, d.h. man behält die üblichen optischen Fehler eines Newtonsystems wie z.B. Koma, die gerade dort, wo man die Scheinerblende nutzen will am grössten ist. Weiterhin ist auf Grund des Strahlengangs eine so perfekte Abschirmung mit Streulicht wie im Refraktor nur selten möglich und natürlich wird das Bild durch das Abblenden deutlich dunkler. Natürlich wird durch die kleinere Öffnung auch die Luftunruhe nicht so detailliert abgebildet, man kann ja auch nun nicht mehr so hoch vergrössern. Aber dies geht einher mit einem massiven Schärfeverlust und Erkennbarkeit von Details. Wäre dem nicht so, wäre es Blödsinn Instrumente für Planetenbeobachtung mit mehr als 4" Öffnung zu bauen. Der einzige Effekt der erreicht wird ist der, dass für den "ungeübten" Planetenbeobachter das Bild weniger zappelt und insgesamt ruhiger - also angenehmer dasteht. Der wichtigste Punkt aber - und das ist den wenigsten Amateuren bekannt - warum ein Spiegel (auch ein abgeblendeter) gegenüber einem Refraktor generell im Nachteil ist, ist die Oberflächenqualität des Spiegels. Ist ein Spiegel sehr rauh, d.h. besitzt er einen schlechten RMS-Wert, dann wird einfach viel Licht welches eigentlich im Brennpunkt gebündelt werden sollte stattdessen in alle Richtungen gestreut. Zudem ist es viel einfacher eine gute Linse zu schleifen, da das Licht dieselbe Stelle der Oberfläche einer Linse nur 1x passiert, während das Licht einen Spiegel (weg. Reflektionsgesetz) beim Einfall UND Ausfall passiert und der Spiegel daher doppelt so gut sein muss. Laux spricht im Buch "Astrooptik" sogar davon, dass ein Spiegel 4x !!! so genau geschliffen sein müsse wie eine Linse. Die Oberflächengüte des Spiegels hat daher 2 wichtige Konsequenzen: a) Das Bild des Objekts wird dunkler Man spricht auch von Definitionshelligkeit oder Strehl-Wert. Das ist der Anteil des Lichts, welches nicht in den Beugungsringen oder sonstwo verloren geht, sondern im Beugungsscheibchen steckt. Ein perfekter Spiegel würde den Grossteil des Lichts in den Brennpunkt lenken und hätte daher eine Definitionshelligkeit von 1.0 (=100%). Gute Optiken haben einen Strehlwert > 0.8, viele wenn nicht die meisten Optiken am Markt aber von 0.5 und sogar darunter! Bei den verbreiteten Massenmarkt-Spiegeln (z.B. Klorollen-Dob) mit einem Strehl von 0.5 erreichen daher auch nur 50% des Lichts den Brennpunkt, der Rest von 50% streut sonstwo im Bild umher. In diesem Beispiel sieht man den Einfluss des Strehlwertes auf die Bildhelligkeit bei der Beobachtung von lichtschwachen Deep-Sky Objekten. Strehl 51% Strehl 82% 18
Aus den Bildern wird ersichtlich, dass man nicht so ohne weiteres zwischen 82% und 92% Strehl unterscheiden kann wenn man DeepSky -Objekte anschaut. Man muss eigentlich immer einen A-B Vergleich machen zwischen 2 Geräten unter selben Bedingungen, d.h. gleicher Abend, gleiches Objekt, gleiche Vergrösserung um solche Vergleiche herauszuarbeiten. "Testberichte" mit Angaben wie "Ich sah den Kernbereich von M13 so deutlich wie nie zuvor" oder "Die Cassiniteilung war überdeutlich zu erkennen" sind daher ohne wirkliche Relevanz, da einfach nur subjektiv. Sinn macht dagegen nur eine Aussage wie folgende: "...im 8" GSO war bei 200x der Kernbereich von M13 schärfer als im nebendranstehenden 8" Antares bei gleicher Vergrösserung..." b) Der Kontrast geht baden Aus a) wird eigentlich sofort ersichtlich, dass ein Abdunkeln des Beobachtungsobjekts und ein Aufhellen des allgemeinen Bildhintergrunds den Kontrast bei schwachen Details wie man sie z.B. bei Planeten findet deutlich herabsetzt. William P. Zmek hat dieses Phänomen vor einigen Jahren in eine empirische Formel in (siehe Sky&Telescope July 93, Seite 91 und Sept 93, Seite 83) zusammengefasst: Obstruktion: DK1 = D - DF Oberflächenfehler: DK2 = D * Exp(33*RMS^2) Gesamt: DK = DK1 * DK2 / D wobei DK = effektiver Kontrast-Durchmesser, d.h. der Durchmesser eines obstruktionsfreien Teleskopes mit gleicher visueller Wahrnehmung eines 20%igen Kontrastes D = Durchmesser Hauptspiegel (Öffnung) DF =Durchmesser Fangspiegel (Obstruktion) RMS = wavefront Bildgenauigkeit. In diesem Beispiel wird der Effekt der Obstruktion einmal für Mars und einmal für einen Stern dargestellt: Obstruktion 40% Obstruktion 25% Obstruktion 15%
Es fällt auf, dass die Unterschiede zwischen unobstruierter Optik und extremer Obstruktion nur minimal sind. Das steht im krassen Gegensatz zu den vielen Diskussionen im Internet, wo es hauptsächlich um die Minimierung der Obstruktion geht (kleiner Fangspiegel, Schiefspiegler...). Dieser Obstruktionsfetischismus wird teilweise so weit getrieben, dass nicht einmal mehr "normale" Plösslokulare hinreichend ausgeleuchtet werden. Das Rohr taugt dann einzig und alleine zum Beobachten der Planeten und heller Doppelsterne, ansonsten für nichts anderes. Das ist IMHO sehr schade, da hier nur ein vermeintliches Übel bekämpft wird und die gute Optik nicht ausgereitzt werden kann. Denn offensichtlich ist bei einer idealen (guten) Optik NICHT die Obstruktion der limitierende Faktor. Es muss daher noch einen anderen Parameter geben. Schauen wir uns daher einmal verschiedene Spiegelqualitäten und deren Einfluss auf den Kontrastdurchmesser DK in folgender Tabelle an: PV RMS DK 1/2 1/7 1/4 1/6 1/8 1/10 1/13 1/20 1/35 1/40 0.51 0.82 0.92 0.97 0.98 dann wird erschreckend deutlich klar, warum der Schritt von 1/2 PV zu 1/4 PV so wichtig ist und warum man in der Praxis sich andererseits sehr schwer tut den Unterschied zwischen 1/8 PV und 1/10 PV visuell zu sehen. Um den Schärfeverlust besser zu verdeutlichen hier dieselben Werte gerechnet für Mars und einen Stern: RMS 1/7 RMS 1/13 RMS 1/20 RMS 1/35 Das ganz linke Bild würde ich als Horrobild bezeichnen (z.B. Kaufhausteleskop), aber auch das nächste bei 1/13 RMS (z.B. Massen-Dob) erzeugt durchaus ein mulmiges Gefühl, zeigt es doch selbst unter idealen Bedingungen (keine Luftunruhe) keine punktförmige Abbildung. Als Fazit aus der Formel von Zmek ergibt sich die Faustformel, dass ein perfektes Spiegelteleskop mit dem Durchmesser D und einer Obstruktion DF in etwa dasselbe leistet wie ein perfekter Refraktor mit dem Durchmesser D-DF ! c) Die Seeinganfälligkeit steigt Bei einem System welches gerade mal beugungsbegrenzt ist, wird mit Ach undKrach die Lichtenergie im Beugungsscheibchen gebündelt. Aber bei der kleinsten Luftunruhe wird der Lichtstrahl etwas gebeugt und wandert sofort aus dem Beugungsscheibchen raus. Bei einer qualitativ hochwertigen Optik ist die Lichtbündelung stärker, d.h. der Spotdurchmesser kleiner. Damit braucht es schon eine stärkere Luftunruhe damit der Lichtstrahl aus dem Beugungsscheibchen rauswandert und dies der Beobachter wahrnimmt. Ich zitiere hier mal Markus Ludes: Mit besserer Optik wird ein Teleskop unanfälliger gegen Seeingprobleme, da beim 1/4 wave system, gerade mal Beugungsbegrentzt, bei der geringsten Luftunruhe, das Spotscheibchen sofort im Durchmesser anwächst und damit aus der beugungsbegrentzten Abbildung rausfällt. Ein Teleskop mit viel kleinerem Spotdurchmesser kann etwas mehr Luftunruhe vertragen bevor dieser rausfältt und ist deshalb etwas besser in der Vergrößerungsfähigkeit. Währe dem nicht so, könnte niemand besser Optik als 1/4 wavefront nutzen und es währe Quatsch für alle Hersteller bessere Optiken zu fertigen." In der Praxis bedeutet dies, dass ein Gerät mit einem Strehl von 0.92 bei gleichen atmosphärischen Bedingungen ein deutlich ruhigeres Bild zeigt als ein identische Gerät mit nur 0.5 Strehl. Mit dem besseren Gerät kann also unter gleichen Bedingungen stärker vergrössert werden und mehr Details wahrgenommen werden! Am Besten sieht man den Effekt am Stern. Hier gerechnet für eine mittlere Luftunruhe, wie sie in unseren Breiten am häufigsten anzutreffen ist: RMS 1/7 RMS 1/13 RMS 1/20 RMS 1/35 Das Ergebnis ist wirlich verblüffend! Obwohl ALLE 4 Optiken DIESELBE Luftunruhe sehen, wird das Beugungsscheibchen in der schlechtesten Optik über mehr als die vierfache Fläche verschmiert!!! Deutlich sieht man wie selbst ein 1/20 RMS Spiegel noch mit der Luftunruhe zu kämpfen hat. Ein erstklassiger 1/35 RMS Spiegel hingegen hat genug Reserven, um immer noch eine fast ideale Abbildung (trotz Luftunruhe) zu garantieren. Die anderen beiden Spiegel sind zwar nach klassischen Kriterien gerade noch beugungsbegrenzt, aber unter realen Bedingungen sieht man, dass diese Spiegel EXTREM empfindlich auf die kleinste Luftunruhe reagieren und wie im Fall des 1/7 RMS Spiegels das Endergebnis sogar noch katastrophal verstärkt wird. Es ist also kein Wunder, wenn Besitzer solcher Geräte über matschige und flaue Bilder bei mittleren und hohen Vergrösserungen klagen, bzw. dass Refraktor-Besitzer beim Blick durch solche Spiegelteleskope im Glauben an die Vorzüge des Refraktors nur bestärkt werden. Dass dem nicht so sein muss zeigen hochwertige Spiegeloptiken (z.B. von LOMO) aber alleine durch den Preis der Optik sind diese Geräte gerade auf Teleskoptreffen nurselten zu sehen. Insofern wird auch dadurch die Mär vom schlechten Spiegelteleskop genährt.
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